Wenn der Kasperl kommt, ist alles andere unwichtig
Der Türkenschanzpark in Währing. Der Park meiner
Kindheit. Ein Platz mit viel Geschichte. Bereits am 11.05.1809 schlugen die
Franzosen auf der Türkenschanze ihr Lager auf. Damals konnten sie nicht ahnen, dass
weit über 160 Jahre danach Frau Renate hier ihre Zelte aufschlagen wird. Und
Mensch, unsere Zelte, das waren auch Zelte. Unsere Räuber und Gendarm-Spiele
gingen in die Geschichte ein, da hätten die Türken, die sich auf der
Türkenschanze bereits 1529 niedergelassen haben dürften, nur so geschaut. Meine
Narbe erinnert mich noch heute daran.
Ich danke noch heute dem Stadtgärtner Gustav Sennholz, nach dessen Plänen aus dem verwilderten, aber reizvollen Gebiet hier ein Volkspark geschaffen wurde, der 1888 der Bevölkerung "übergeben" wurde. Dankeschön, lieber Gustl. Ebenso Danke an Heinrich Ferstl, der sich maßgeblich für die Erschaffung des Volksparks einsetzte. Schade, dass es das Restaurant nicht mehr gibt, ebenso die beiden Musikpavillons. Was es aber bis heute noch gibt, ist die Trasse der damaligen dampfbetriebenen Stadtbahn, die heutige S45, die ein Einschnitt im dem hügeligen Gelände ist.
Tja, und genau in der Höhe der S45-Trasse gibt es heute wieder ein Restaurant, die Meierei Diglas. Ich muss aber ehrlich gestehen, ich bin dort noch nie eingekehrt. Vielleicht sollte ich das aber mal nachholen? So ein entspannter Start in den Tag auf der gepflegten Terrasse? Oder eine kurze Auszeit in frischer Luft zu Mittags? Oder doch lieber eine hausgemachte Mehlspeise mit einem frisch gebrühten Espresso? Na, mal schauen. Wenn ich mir dann die letzten Brösel aus dem Mund gewischt habe, kann ich ja wieder darüber berichten. Bleibt mit ichwillwiederraus verbunden - es folgt noch viel mehr.
Unterschiedliche Wasserflächen
Rund 6.500 m2 Wasserflächen, wie der "Bergsee", der "Waldteich", der "Kurpark-Teich" oder eine Auen-Landschaft beim "Lehrteich" bieten Tieren und Pflanzen besonderen Lebensraum. Kein Wunder, dass sich hier seltene Pflanzen, wie beispielsweise die Berg-Kuhschelle heimisch fühlen. Wegen der Nachbarschaft zur Bodenkultur Wien gibt es u.a. auch Zierbäume aus China, Japan und Nordamerika. Viele Bäume sind namentlich beschriftet.
Seit 1991 bekräftig der Yunus-Emre-Brunnen die Freundschaft zwischen Wien und der Türkei. Der Brunnen wurde damals feierlich eröffnet - da war ich sogar dabei.
Am Lehrteich erlauben Aquarien, Schaugläser und Mikroskope den Besuchern Einblicke in die Wunderwelt eines Teich-Lebensraumes. Die Programme richten sich an Kinder von 5-16 Jahren.
Aussichtsturm Paulinenwarte
Der 23 m hohe Aussichtsturm diente früher als Wasserspeicher und ist optisch und baulich dem Stil der umliegenden Villen des Cottages Viertels angepasst. Benannt wurde die Warte nach Pauline Metternich, die viele exotische Pflanzen dem Türkenschanzpark gespendet hat. Zu Normalzeiten, also nicht jetzt in Corona-Zeit, ist der Turm zu bestimmten Zeiten begehbar.
Denkmäler
Wer mit offenen Augen durch die Parkanlage geht, wird auf unterschiedliche Denkmäler von wichtigen Persönlichkeiten treffen. Wie z.B. der Dichter Adalbert Stifter, die Komponisten Franz Marschner und Emmerich Kalman, der Schauspieler und Regisseur Leon Askin, der Arzt, Erzähler und Dramatiker Arthur Schnitzler.
Außer zu Corona-Zeiten gibt es Park immer wieder unterschiedliche Veranstaltungen, wie einen Adventmarkt, ein Kunst- und Kulturfestival oder ein Ferienspiel im Sommer.
Als Kind war mir das alles wurscht
- Damals waren nur wichtig: das knallrote Feuerwehrauto am Kinderspielplatz, der kleine Hügel dahinter, wo wir Räuber und Gendarm spielten. Die Sandkiste, wo ich meine ersten Kuchen gebacken und Kurti damals einen Zahn ausgeschlagen habe, als er meine Sandburg zerstören wollte.
- Damals, als die Bäume noch unsere Kletterfreunde waren.
- Damals, als wir noch Kind sein durften, mit abgeschundenen Gliedmaßen, voller Dreck und Gatsch, aber glücklich und hundemüde von Mutti nachhause geschleift worden sind.
- Damals, als wir den Weg noch zu Fuß zurücklegten, da wir weder Auto noch Geld für die Jahreskarte hatten.
- Damals, als die Enten im Park noch gefüttert werden durften.
- Damals, als wir unsere Grenzen ausloten durften, und dennoch wussten wo Schluss ist.
- Damals, als wir einfach noch Kind sein durften, während unsere Mütter Stunde um Stunde am Bankerl saßen und strickten, plauderten oder einfach uns zusahen.
- Damals, als es bei Schnee noch die atemberaubenden Rodelpisten gab und ein Plastikbrett einer nahen Baustelle (wohlgemerkt, wir bekamen das Ding damals geschenkt!) als Bob diente.
Der Rückzugsort im hektischen Alltag
Heute ist "mein Türkenschanzpark" ein Rückzugsort. Ein Ort, wo ich mit der Kamera schon mal Stunden spazieren gehe, um Fauna und Flora ablichten zu können. Ein Ort, der mich in meine unbeschwerte Kindheit zurückversetzt. Damals, als es weder Internet noch Handy gab und nur eine einzige Sendung im ORF ein Fixpunkt war. Damals, als mittwochs der Ruf von Mutti "Renate, Kasperl fängt bald an", der einzige Tag war, wo ich brav und freiwillig nachhause ging. Den Kasperl, ja, den durfte ich nicht verpassen. Und Videorekorder hatten wir keinen, also blieb nur das "live" zuschauen.
Manchmal stehe ich verträumt inmitten des Parks. Wo ist diese unbeschwerte Kinderzeit hingekommen? Wieso fährt das Leben so über die schönen Dinge? Werden wir wirklich für's und vom Leben "zugeschliffen"? Könnten wir uns nicht ein wenig kindliches Gemüt von damals behalten? Einfach sich über weniger aufregen, das Leben laufen lassen und sich über die wirklich wichtigen Dinge, wie seinerzeit dem Kasperl, freuen?
Haben wir das Leben verlernt? Haben wir die Freude im Leben verloren?
Wien, 02.10.2020