Ehret den Sock - Wanderweg
Herrnbaumgarten, Weinviertel, Niederösterreich
Zum Glück sind sie alle gewaschen. Wenn nicht in der einsamen Waschmaschine am Wegesrand, dann wenigstens von Mutter Natur. Einige wiegen sich noch in prachtvoller Schönheit im leichten Wind, andere mutierten zu Golfliebhabern anhand der Löcher und einige wenige sind nur noch aufgrund der freihängenden Fäden auszumachen.
Der einzigartige "Ehret den Sock-Wanderweg" im verruckten Dorf Herrnbaumgarten beginnt beim Nonseum, in welchem Erfindungen, die wir auch nicht brauchen auf die Besucher warten. Nun gut, heute nicht, denn es ist noch Wintersperre. Obwohl wir entlang der Route schon viele Frühlingsboten treffen. Unzählige Vögel schmettern den warmen Sonnenstrahlen ihre Lieder entgegen.
Das Nonseum behauptet selbst, dass es niemanden nützt, das aber sehr gewissenhaft und mit aller Liebe. Und so nützt mir auch die Raunzerei nicht, während wir am einzigen steileren Stück unsere Großstadtkörper durch einen kleinen Hohlweg gegen Himmel schrauben. Nein, steil ist es nun nicht wirklich, aber mit Winter- und Fotoausrüstung ausgestattet, wirkt jedes Hügelchen wie eine Mount Everest-Besteigung.
Die ehemaligen Kapellenwegschilder sind mit den Sockenschildern verdeckt. Wir haben mittlerweile den Sockenfriedhof erreicht und lassen auch unsere beiden einsamen Sockenherzen aus dem Rucksack. Schwupps noch zwei Holzkluppen und schon wiegen sie sich sanft im Wind. Natürlich besteht in jedem Sockenherz die Hoffnung auf Rettung, wenn ein Wanderer aus Nah und Fern sich in das einsame Exemplar verliebt und liebevoll an sich nimmt, um dieses mit einem einsamen Herzen im Sockenschrank zu verehelichen.
Der Weg führt vorbei an der Steinbruchkapelle, dem Bamhackelkreuz, Rehen und Hasen sowie unzähligen Weingärten, die noch im Winterschlaf sind. Die grandiose Aussicht ist heute milchig weiß, als würden wir durch eine beschlagene Duschwand ins Freie blicken. Aber egal, dann lassen wir den Panoramablick, der bis Falkenstein und nach Mikulov reicht, fototechnisch aus und konzentrieren uns auf den Schauweingarten, auch als Bundesleeranstalt für Weinbau bezeichnet. Hier tummeln sich u.a. alte und resistente Sorten, sowie Tafeltrauben.
Wir legen noch eine kurze schweigende Minute beim Einzelsockenmahnmal ein, gedenken aller einsamen Singlesockenherzen und verlassen die Routentaferl. Anstatt nach links, gehen wir gerade aus. Wir sind auf der Suche nach dem ausgeschilderten SB-Keller. Nach soviel Käse (wer es nicht kennt, alte Socken stinken normal wie alter Käse) brauchen wir einen Schluck Wein.
Oh mein Gott, ist es hier schön. Ich bin total fasziniert. Zwar haben wir schon unzählige Kellergassen besucht, aber diese hat einen ganz besonderen Charme. Die hohen Lösswände und die kleinen Türen sind ein einzigartiger Kontrast.
Im SB-Keller finden wir noch eine letzte Flasche Wein, die wir gleich bezahlen, verkosten und halb leeren. Der Rest wandert mit uns bis zum Ausgangspunkt weiter.
Strecke lt. Angaben: rund 6 km
Höhenmeter lt. Angaben: max. 130
Start und Ziel: Nonseum - während den Öffnungszeiten gibt es auch Wanderkarten und Holzkluppen
Unsere Dauer inkl. Fotos, einer Teepause: 2 ¾ Stunden
Kleiner Tipp aus Sicht der Großstadtwanderer: Verpflegung bei Bedarf mitnehmen. Wir haben einige schöne Rastplätze gefunden.
Beschilderung am Tag unserer Wanderung: ausreichend
Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer
Fotos von Fotografin Renate
Wien, 27.02.2022