Durchs Diebsnest zum Eisen.Hut
Grossriedenthal, Weinviertel, Niederösterreich
Ich umklammere den Becher einer unserer großen Thermoskannen und spüre wie die Wärme des Tees meine Finger erreicht. Traumverloren schaue ich den Schneeflocken auf der, wohl noch warmen Motorhaube unseres PKWs bei ihrem Tanz zu. Wieso jetzt? Wieso gerade jetzt? Immer und immer wieder stelle ich mir die Frage.
Mein Chef schubst mich sanft an: "Träumelinchen, trink aus und los!"
Wenn Blicke töten könnten, dann würde hier am Parkplatz vor der Kirche in Großriedenthal, so eine gute Autostunde von Wien entfernt, jetzt gleich Spurensicherung, Hauptkommissar und Leichenbestattung auffahren. Aber ich bin ja brav. Trinke aus. Murmle mich in meine dicke Jacke, die bis zum Hals fest zugezurrt ist, ein. Nehme Fotorucksack auf den Rücken und Kamera sowie Plan in die Hand. Los geht es.
>>tut gut<< Wanderwege haben den Vorteil, dass meistens mindestens drei unterschiedlich lange Routen von einem Standort losgehen. Und so ist mein heutiger Tag auch gestartet, als ich den Fehler des Tages begangen habe. Ich habe unsere Wanderbox meinen Chef nichts ahnend in die Hand gedrückt und salopp gesagt: "Such aus!"
Nun bewandere ich die Route 2. Schneeflocken schlagen gegen mein Gesicht. Der eisige Wind braust um meine Ohren, bis ich die Kapuze überziehe. Nun habe ich zwar nur ein sehr eingeschränktes Sichtfeld, aber das Gefühl von Wärme und Geborgenheit.
"Schau, die bunten Häuser! Die erhellen den Tag. Uj, jetzt ein schönes Glas Wein in dieser romantisches Kellergasse hier im Reithergraben!"
Ich schmunzle in meinen Schal. Irgendwie versteht es Chef mich immer wieder aufs Neue zu motivieren. Er hat ja Recht. Irgendwie hat der leichte Schneefall, das bunte Häusermeer und die Sehnsucht nach einem guten Schluck schon was Nettes.
Wir ziehen vorbei an alten und neuen Presshäusern. Verlassen schon bald die Kellergasse und den Schneefall. Na, da schau her, hier im Diebsnest schneit nicht mehr. Die haben wohl die Flocken gestohlen! Sogar der Wind lässt nach und ich kann schon bald meine Kapuze absetzen. Ich sehe wieder was! Und nehme zum ersten Mal, trotz trüben Wetters, diese herrliche Weitsicht wahr. Einfach nur schön hier, muss ich heimlich zugeben.
Der Weg ist, wie immer, gut beschildert. Obwohl ein Schild lassen wir Schild sein, denn gegen Himmel möchte ich heute nicht wandern. Der ist mir zu weiß.
Wir wandern durchs sogenannte Diebsnest gegen Eisen.Hut. Auf immerhin spektakuläre 350 m Seehöhe. Hier legen wir auf der einladenden Bank mit Tisch unsere Pause mit Tee und Mannerschnitten ein. Die spektakuläre, architektonisch herausragende Aussichtplattform "Eisen. Hut - Ein besonderer Platz in den Weingärten" steht hier seit vorigem Jahr. Sogar ein Öko-WC steht zur Verfügung.
Faszinierend finde ich das fix montierte Fernrohr, das einem erklärt, was man gerade sieht. Oder eigentlich sehen sollte. Tja, bis zum Ötscher reicht der Blick heute nicht. Auch den Kahlenberg, unseren Wiener Hausberg nehmen wir nur mit viel Phantasie aus.
Aber egal. Mich faszinieren sowieso nur die Weingärten, die zu den bedeutendsten Anbaugemeinden am Wagram zählen. Das Licht ist gar nicht so schlecht, und der leichte Schnee bietet ein unglaublich beeindruckendes Schauspiel. Schon schön. Innerlich bin ich froh, dass Chef sich mit seiner Idee durchgesetzt hat.
Der Weg geht unbefestigt Richtung Steingrube weiter. Wobei unbefestigt, naja, der Asphalt ist halt zu Ende, aber alles super zum Gehen. Über den Goldberg, ohne Gold zu finden, wandern wir Richtung Kellergasse Wolfsgrube.
Ein nettes Fleckchen Erde, das sogar beim Rückblick noch einen besonderen Charme hat.
Vorbei am Friedhof geht die Zielgerade direkt auf die Kirche, unserem Ausgangspunkt zu.
Ich umklammere das Häferl unserer Thermoskanne. Ich spüre die Restwärme des Tees Herr über meine klammen Finger werden.
Chef grinst mich an: "Na, war doch viel schöner, als in sengender Sommersonne. Hat richtig gut getan."
Ich schaue den Schneeflocken bei ihrem Tanz auf der Motorhaube zu. Jetzt bleiben sie sogar für einige Zeit liegen. Der Wind hat wieder Fahrt aufgenommen.
"Du hast Recht. Und sanfter Tourismus ist es hier wirklich. Sogar den Schnee und Wind haben die für unsere Runde abgestellt. Schön war es."
Und jetzt geht es im Schneefall ab nach Hause. Abends gibt es in meiner Zauberküche Rindsbraten aus meinem Krisenkochbuch. Und danach die letzten Leckereien vom Oster-Bauernmarkt in Maissau.
Übrigens, wir waren circa 2 ¼ Stunden mit nur einer kurzen Teepause unterwegs.
Der gesamte Weg war knapp 6,6 Km bei rund 92 Höhenmetern.
Weitere Beschreibung und Karte unter https://wanderwege.noetutgut.at/
Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer
Fotos von Fotografin Renate
Wien, 21.03.2021