Marillenmeile
Bacharnsdorf, Wachau, Mostviertel, Niederösterreich
Naja, also unter "Parken am Sportplatz" hätte ich mir als Großstadtkind einen spektakulären Platz vorgestellt. Nun, kaum ist man in Bacharnsdorf eingefahren, fährt man schon wieder raus. Da heißt es schnell bremsen und, von Wien kommend, am Ende der Ortschaft den Parkplatz ansteuern. Sportplatz, naja, wurscht, wir haben ihn gefunden. Am Rande zur B33 ist Wanderern das Parken erlaubt.
Wir sind auf der ruhigen Seite der Wachau, hier wo noch alles romantisch, ursprünglich und geschichtsschwanger ist. Noch dazu heute, wo es weder den absoluten Touristenmagnet, die Marillenblüte, noch sonst was Aufregendes gibt.
Wir möchten einen Teil der Marillenmeile, gepaart mit dem Römerweg erkunden. Auf den Spuren der orange-süßen Frucht sowie der geschichtsträchtigen Gegend. Und landen im Zauberwald, aber dazu gleich.
Zuerst geht der recht gut beschilderte Weg unspektakulär ein Stück entlang der Donau und führt durch den, lt. Internet 41-Einwohner starken Ort, vorbei am wohl besterhaltenden Burgus der einstigen Limestürme in der Wachau. Wir überqueren die B33, ab hier steigt der Weg stetig an. Der Dürrenbach begleitet uns auf der rechten Seite und flüstert rauschend alte, römische Geschichten in den Wald.
Der Weg ist gut, obwohl teilweise recht gatschig und durch das Laub rutschig. Immerhin befinden sich darunter immer wieder Reste von alten Fahrrillen der Römer und besondere Steinplatten. Der Weg führt durch das Kupfertal und schon bald bin ich hin- und hergerissen.
Der Herr des Waldes schaut auf uns herab
Wir stehen in einem mystischen Zauberwald, dessen Formationen der dicht hereinhängende Nebel in gespenstisches Licht taucht. Ich weiß gar nicht, wo ich zuerst hinschauen und hinhören soll. Meine Kamera läuft auf Hochtouren und meine Phantasie hechelt aufgeregt hinterher. Auch mein Schatz hat bereits seine Gedankenspiele auf Hochglanz poliert.
So erheben sich aus den, für das Waldviertel, typischen Felsformationen Affen, Schildkröten und unzählige Fabelwesen. Ist er Adler oder Mensch?
Immer tiefer dringen wir in den verwunschenen Zauberwald. Hören wir schon Feen kichern und Waldgeister tuscheln? Streng blickt der Herr des Waldes auf uns einsame Wanderer. Möchte er einen Schluck unseres Zaubertranks, den ich in der Thermoskanne mitschleppe?
Immer wieder bleiben wir stehen, genießen Luft und Atmosphäre. Tauchen in eine koboldhafte Zauberwelt. Verdrängen die Alltagsprobleme und lassen die Sorgen hinter uns. Der Dürrenbach rauscht in seinem Bachbett zu Tal, um sich in die Donau zu ergießen. Er sprudelt genauso vor sich hin, wie unsere Phantasie.
Die Sagenwelt hinter sich lassen
Bald haben wir den höchsten Punkt erreicht und somit an die 200 Höhenmeter überwunden, der Weg führt in einer Spitzkehre weiter. Wir durchschreiten das Türkentor und stranden wieder im Leben im Jahr 2020. Auf einer Straße geht es bergab, wobei eine kurze Pause müssen wir noch einlegen.
Trotz Nebel eröffnet sich ein grandioser Ausblick auf die Donau und die Wachau. Ich träume von Sonne, Marillenblüte oder bunten Herbstlaub. Gebe mich aber auch mit dem heutigen einheitlich grauen Wetter zufrieden. So ruhig die Wachau. Kaum ein Auto zu sehen. Eine wahre Wohltat. Bei dem Aussichtspunkt gibt es eine Rastmöglichkeit und wir laben uns am mitgebrachten Zaubertrank, einem Adventtee von Sonnentor. Nachdem ich heute fürs Autofahren verantwortlich bin, zieht mein Schatz seine flüssigen Marillen im Flachmann aus seiner Fototasche. Na, dann Prost.
Noch ein Stück führt uns der Weg bis zum Sportplatz. Wir waren, inkl. fotografieren und lauschen der Waldgeistergeschichten, sowie der Zaubertrankpause rund 2 ½ Stunden unterwegs.
Aber jetzt ab nachhause, zu warmen Tee mit Rum, dazu selbstgemachten Wurstknödeln aus meinem Krisenkochbuch vom ersten Lockdown mit Sauerkraut. Doch zuvor halten wir noch rasch in Rossatz. Der Erinnerung wegen, als wir damals bei der "Schlagernacht aus der Wachau" waren. Und ein sehnsüchtiger Blick nach Dürnstein, wo es ein herrliches Eis sowie unzählige Marillenprodukte zu kaufen gibt.
Unsere allgemeinen Wandertipps: Großstadtwanderer
Fotos von Fotografin Renate
Wien, 20.12.2020